Sunday, May 17, 2020

Lockdown Kapstadt erstes Update

Sorry for the German, I will translate these next few texts soon, it is a summary of what is happening here and how people in Germany can (and have already!!) helped:

Hoffnung und Angst in Zeiten von Corona
Ich schreibe Euch dies von meinem Haus in Kapstadt, Suedafrika. Ab heute, 26 Maerz  Mitternacht sind wir landesweit in “lockdown”, d.h. niemand darf sein Haus verlassen. Es it gleich Mittag. Noch 12 Stunden. Alle Fenster sind offen, es weht ein milder Wind, der ein bischen nach dem gestrigen Regen auf trockenem Gras riecht. Ich hoere Voegel zwitschern, das Lachen meiner Kinder, die sich kreischend durch den Garten jagen und  Berta, die ein Motorrad anbellt, das an unserem Tor vorbeifaehrt. Die Sonne blinkt ab und zu zwischen fetten Schaefchenwolken hindurch, der Tafelberg hat ein fransiges Tischtuch, es ist alles vermeintlich normal und friedlich. Bis auf die Schlangen vor den Supermaerkten, die sich um mehrere Strassenecken winden,  weisse Menschen mit Tuechern und Masken vor dem Gesicht, beladen mit Tueten und Kartons und den unvermeintlichen 12er Packungen Klopapier, die zu ihren Autos trecken und zwischendurch vereinzelt dunkelhaeutige Menschen mit Spray-Flaschen und Handschuhen, die den Panik-shoppern behilflich sind, bevor sie wieder in einem ueberfuelltes Minibus Taxi oder den unverlaesslichen aber ebenfalls ueberfuellten Zuegen zurueck in die Townships reisen.  Dort, wo ein Grossteil der  Schwarzen Bevoelkerung in menschenunwuerdigen Zustaenden lebt, ist ein “Lockdown” fuer viele aeltere Menschen ein Trigger. Die Townships wurden unter der Apartheid Regierung eingerichtet, damit man die “Schwarze Gefahr” aus den affluenten weissen Suburbs heraushalten konnte. Auch damals durften nur diejenigen mit einer speziellen Genehmigung  (Dompass) tagsueber in den weissen Suburbs unterwegs sein, um Haeuser zu putzen, Gaerten zu pflegen und Kinder zu betreuen. Auch damals wurde die Armee dazu benutzt, die Menschen in Schach halten und einzuschuechtern.
Als der Praesident vor drei Tagen ankuendigte, dass die Armee zur Einhaltung des Lockdowns eingesetzt werden wuerde, bestand kein Zweifel fuer welche Wohngebiete dies zutrifft.
Waehrend wir Weissen uns auf Neighbourhood WhatsApp Foren darueber echauffieren, dass Prince und Waldi nicht Gassi gehen duerfen, und welches A-Loch den gesamten Lagerbestand an Balsamic Vinegar und Gluten freien Broetchen aufgekauft hat, haben die Menschen in den Townships einfach nur Angst.
Fuer die meisten steht lediglich ein Monatsgehalt zwischen Ueberleben und Verhungern. Wer einen Job hat,ist in der Regel fuer das Ueberleben einer weitlaeufigen Grossfamilie verantwortlich. Kellner, Koeche, Hotelpersonal, Uber-Fahrer, Hausangestellte, Gaertner, Strassenverkaeufer, Fabrikarbeiter, Minen-Arbeiter, die Liste derjenigen, die Ihre Jobs verlieren, oder gerade ohne Gehalt fuer unbestimmte Zeit nach Hause geschickt werden ist lang. Schul Mahlzeiten sind fuer viele Kinder das einzige Essen, dass sie an diesem Tag bekommen werden. Wenn unsere Schulen online gehen,  ist das fuer diese Kinder eine Katastrophe.  
In den letzten zwei Wochen haben wir alle mit angehaltenem Atem zugeguckt wie die Kurve steiler wurde und landesweite Panik einsetzte. Ich selbst habe Momente von unkontrollierter Angst, dann wieder Hoffnung und Zuversicht, dann wieder schreie ich meine Kinder an, und fuehle mich wie die schlechteste Mutter der Welt, weil ich es nicht fertig bringe mit Ihnen Kunst aus Klopapierrollen zu basteln oder einen Hindernislauf im Haus zu organisieren. Statt dessen liege ich stundenlang auf meinem Bett, die Nerven zerfranst wie die Wolken auf dem Tafelberg und lese Corona News mit panic-snacks und Vitamin C.
Panik wechselt sich ab mit Schuld und Dankbarkeit ueber unser paradiesisches Leben hier am Fusse des Tafelbergs in einem Haus das gross genug ist uns acht Menschen genug Platz zum Atmen und isolieren und gemeinsamen Mahlzeiten zu erlauben. Wir haben einen Lieferservice, der uns alles bringt, was wir in normalen Zeiten selbst kaufen. Wir haben Netflix und Handys und Tablets und wir haben uns.
Wir haben uns.
Wenn die Trauer um alles, was wir gerade verlieren und die Unsicherheit ueber das, was auf uns zu kommt zu gross wird, wenn meine Schuld ueber mein priviligiertes Leben mich geradezu laehmt, wenn ich es nicht wage, meine Schwarzen Freunde zurufen, weil ich diese Gefuehle im Angesicht Ihrer Angst um die Familien in den Townships geradezu obszoen finde, dann hilft mir nur eins.
Liebevolle Geduld. Zunaechst einmal Geduld mit mir und all meinen sinn-losen und realen und irrealen Aengsten und Gefuehlen. Wir alle, Schwarz oder weiss, arm oder reich fuehlen Angst und Unsicherheit und Hoffnung und Trauer waehrend wir versuchen Sinn zu finden und zu ueber-leben.
Nur wenn ich mich selbst annehmen kann mit all meinen widerspruechlichen Emotionen, in meinem schoenen Haus in Kapstadt,  nur wenn ich ganz tief verstehe, dass ich liebens-wert bin in all meiner Imperfektion, dass ich gluecklich sein darf auch wenn andere leiden, dass ich leiden darf, auch wenn das Leiden anderer so viel grosser scheint als mein eigenes, kann ich mich aus der Spirale von Schuld und Angst befreien und zu unserem kollektiven Heilen beitragen.
Meine Schuldgefuehle helfen keinem.
Aber ich kann jetzt, heute etwas tun, dass anderen hilft  trotz meiner Angst und Unsicherheit – und das hat den Knock-on-Effect, dass ich mich ablenke von meinem eigenen Gefuehls-Brei und eine neue Perspektive auf mein Leben bekomme.
Zusammen mit  einer Freundin, die in Townships in Suedafrika aufgewachsen ist und bis heute nacht so lange es geht mit Lebensmitteln und Medikamenten im Kofferraum zu allen Familien faehrt, die sie erreichen kann, haben wir einen Liefer-service ausfindig gemacht, der waehrend des Lockdowns in den Townships unterwegs sein darf. Unser Ziel ist es, Familien zu erreichen, die dringend Hilfe benoetigen und ihnen ueber die naechsten Wochen und Monate auch nach der Ausgangssperre die noetigsten Lebensmittel zu liefern. Meine Bitte an Euch alle ist uns dabei zu helfen. Fuer ca. 100 Euro kann eine vierkoepfige  Familiezwei Wochen essen.  

Wenn wir alle geben, was wir koennen, werden wir alle haben, was wir brauchen .
Ich wuensche Euch allen liebevolle Geduld, Momente der Freude und vor Allem Gesundheit.

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