Translations to follow - Sorry for the German
Ihr Lieben
Heute ist Tag
22 des landesweiten lockdowns. Zwei weitere Wochen sind wir noch unter
Ausgangssperre, danach weiss niemand so recht, wie es weiter gehen wird.
In der
Zwischenzeit sind viele private, nationale und internationale Hilfsorganisationen
hier in den Townships taetig geworden. Auf social media finden wir regelmaessig
Berichte von Lebensmittel-Lieferungen, Essens-Verteilung von mobilen
Kochstationen, Fotos von Menschen, die vor einem Lieferwagen in Schlangen auf
ihre Rationen warten und viele, viele Aufrufe zum Spenden. Jede dieser
Hilfs-Aktionen ist gut, allerdings sind manche besser als andere - wie wir in
den letzten zwei Wochen erfahren durften.
Die
zunehmende Tendenz, Lebensmittel-Pakete von den reichen suburbs in die Townships
zu schicken, hat den bislang einzigen Service (YeboFresh), der die townships
beliefert fast lahm gelegt. Ploetzlich befanden wir uns in einer Situation, wo
Teile unserer bestellten Waren (hauptsaechlich frisches Gemuese) nicht ankamen
und manche Familien umsonst warteten. Wir wurden leider nicht von YeboFresh
darueber informiert sondern erfuhren dies nur, weil wir direkt Kontakt mit vielen
der Familien halten, denen wir helfen. Nachdem wir der Sache nachegangen sind,
stellte sich heraus, dass die “einfachen” Bestellungen aus den “weissen”
suburbs Prioritaet ueber unsere “komplizierteren” Einkaufslisten bekamen. Was
das im Klartext hiess: Unser Versuch jeder Familie so zu helfen, dass sie das
bekommen, was sie am noetigsten brauchen, ueberforderte das System. Es war einfacher
(und lukrativer), Bestellungen zu erfuellen, die standardisiert waren, wo jede
Familie das Gleiche an Grundlebensmitteln erhaelt. Von Aussen betrachtet macht
das zunaechst einmal Sinn. Es scheint sinnvoller 20 Familien schnell mit einem
Standardpaket (zumeist Oel, Reis, Mehl, “Mealie Meal” und je nach Organisation
vielleicht noch Kartoffeln, Suesskartoffeln und Fleischprodukte) zu erreichen,
als 10 individuelle Bestellungen zusammen zu stellen, fuer die man laenger
planen und einkaufen muss.
Uns hat sich daher
immer dringender die Frage gestellt: Wie schaffen wir es Hilfe zu leisten, die
die Wuerde der Menschen intakt haelt und Ihnen ein Minimum von Autarkie ueber
Ihre Lebenssituation erlaubt? Wie erreichen wir es als Gemeinschaft, individuelle
Not und Bedureftigkeit an zu erkennen und zu respektieren, anstatt Menschen in
eine stereotypische Opfer-Rhethorik zu gruppieren, fuer die wir als “Retter”
alle Entscheidungen treffen.
Bitte
versteht mich nicht falsch: Natuerlich ist ein Sack Reis besser als gar nichts,
wenn es ums blanke Ueberleben geht. Aber zwischen dem Hungertod der Aermsten und
unsern gefuellten Gefriertruhen und Kuehlschranken gibt es eine Vielzahl von
Nuancen an menschlicher Not, die wir in unserer Hast, Gutes zu tun (und uns schnell
selbst besser zu fuehlen) leicht uebersehen. Es ist einfacher, 100 Pakete Reis
zu spenden, mit dem Gefuehl vielen Menschen geholfen haben, als uns mit individueller Not auseinander zu
setzen. Letztlich moechten wir uns alle (ich schliesse mich hier ein) einfach
nur ein bischen besser fuehlen in dieser furchtbaren Zeit. Je naeher uns die
Opfer sind, je mehr wir von einzelen Schicksalen wissen, desto unertraeglicher
wird es doch fuer uns, mit all dem Leid um uns herum zu leben:
Die Mutter,
die vor einem Missbraucher geflohen ist und keine Kleider, Milch oder Windeln
fuer ihr Baby hat; die Familie mit Kleinkindern, die dringend frisches Gemuese
brauchen; die Grossfamilie mit Onkeln, Tanten Grosseltern und CousInen, die
seit Tagen ohne Elektrizitaet im Dunkeln sitzen; der Familienvater, der den
ganzen Tag in Handschellen im Laderaum eines Polizei-Lasters verbringen musste,
weil er zu Fuss versucht hat, einen Lebensmittel laden zu erreichen, um fuer
ein paar Rand Obst fuer seine Kinder zu bekommen.
All dies sind
Schicksale von Menschen, zu denen wir direkten Kontakt haben, hauptsaechlich
durch meine Schwarzen Freundinnen (die unermuedlich jeden Tag mit unzaehligen
Menschen telefonieren), die diese Hilfsaktion organisieren. Eine von uns lebt
in Llanga, eine andere kommt aus Gugulethu, wo ein Grossteil Ihrer Familie zur
Zeit lebt und alle haben Verwandte, Freunde und Bekannte in Kayelitsha.
Was uns vielleicht
am Schlimmsten betroffen hat diese Woche, war ein Foto, dass uns von einer
unserer privaten EinkaeuferInnen zugeschickt wurde, in dem ein altersloser Mann
in zu weiten Kleidern auf einer Kiste im Staub sitzt, vor sich eine Tuete
Lebensmittel. Er schaut mit einem verlegenen Laecheln an der Kamera vorbei, seine
Koerperhaltung ist muede, als wenn er sich kaum aufrecht halten kann. Der Text
zu dem Bild: Dies ist Chris, er hat Euer Paket erhalten und ist sehr dankbar,
wir brauchen Menschen wie Euch in unserer Welt.
Als ein Teil
der anonymen Masse der Notleidenden, denen unsere Spenden helfen sollen, wurde Chris
zu einer Trophae gemacht, die uns Dankbarkeit zeigen soll, damit wir weiterhin
motiviert sind, grosszuegig zu sein. Vielleicht hat er letzten Monat noch einen
Job als Lehrer oder Kellner gehabt, vielleicht hat er eine Familie, die jetzt
obdachlos ist, vielleicht hat er den Sprung aus der Armut von Generationen vor
ihm nie geschafft.
Stellt Euch
nur mal vor, Euer Kind wuerde hungrig und obdachlos in einem der dunkelsten
Momente Eures Lebens fotografiert und auf FaceBook gestellt, von Fremden, die
Euch mit einer Tuete Lebensmittel helfen wollten. Fast genau so traurig war
fuer uns die Tatsache, dass die Helferin, die uns das Foto geschickt hat,
glaubte, dass wir dies von Ihr als Beweis und auch als Dokumentation fuer
unsere Spender in Deutschland erwarten. Die Tradition unserer westlichen
Spenden-Kultur, die Menschen auf stereotypische Bilder reduziert (die armen
Kinder in Afrika) hat uns zum grossen Teil blind fuer Einzelschicksale gemacht.
Wir uebersehen die Menschen hinter der Katastrophe und merken es noch nicht
einmal.
Ich behaupte
nicht, dass wir den einzigen oder besten Weg zu helfen gefunden haben, wir
versuchen lediglich, die Menschen hinter dem unsagbaren Leiden in unseren Townships
weiterhin als Menschen mit individuellen Aengsten, Sorgen und Beduerfnissen zu respektieren.
Wir bemuehen uns um Kontakt und Verbindung, was auch bedeutet, dass unsere
Kapazitaet begrenzt ist.
Fuer die
naechsten Wochen ist unser Plan, ueber die neu angebotenen Einkaufs-Gutscheine
einiger Lebensmittel Ketten (die man per SMS verschicken kann), mehr Menschen
unbuerokratisch zu helfen. Damit koennen die Familien selbst entscheiden, was
sie gerade am Noetigsten brauchen. Gleichzeitig (und darueber hinaus) arbeiten
wir weiterhin daran in den Gebieten mit hoher Kriminalitaet und geringer
Infrastruktur, HelferInnen mit Fahrzeugen zu organisieren, die fuer eine feste
Gebuehr fuer mehrere Familien zusammen einkaufen und damit auch die lokalen
“informal traders” weiter unterstuetzen koennen.
Dank Eurer
grosszuegigen Spenden haben wir heute Euro 12000 erreicht, und koennen nun auch
ueber die naechsten zwei Wochen weiter machen. Es waere wunderbar, wenn wir
auch ueber diese Zeit hinaus weiterhin Hilfe leisten koennen. Deshalb meine
Bitte wie immer an Euch, meine email weiter zu leiten an Freunde, Bekannte,
Kollegen.
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