Sunday, May 17, 2020

Lockdown Kapstadt zweites Update


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Ihr Lieben

Heute ist Tag 22 des landesweiten lockdowns. Zwei weitere Wochen sind wir noch unter Ausgangssperre, danach weiss niemand so recht, wie es weiter gehen wird.
In der Zwischenzeit sind viele private, nationale und internationale Hilfsorganisationen hier in den Townships taetig geworden. Auf social media finden wir regelmaessig Berichte von Lebensmittel-Lieferungen, Essens-Verteilung von mobilen Kochstationen, Fotos von Menschen, die vor einem Lieferwagen in Schlangen auf ihre Rationen warten und viele, viele  Aufrufe zum Spenden. Jede dieser Hilfs-Aktionen ist gut, allerdings sind manche besser als andere - wie wir in den letzten zwei Wochen erfahren durften.
Die zunehmende Tendenz, Lebensmittel-Pakete von den reichen suburbs in die Townships zu schicken, hat den bislang einzigen Service (YeboFresh), der die townships beliefert fast lahm gelegt. Ploetzlich befanden wir uns in einer Situation, wo Teile unserer bestellten Waren (hauptsaechlich frisches Gemuese) nicht ankamen und manche Familien umsonst warteten. Wir wurden leider nicht von YeboFresh darueber informiert sondern erfuhren dies nur, weil wir direkt Kontakt mit vielen der Familien halten, denen wir helfen. Nachdem wir der Sache nachegangen sind, stellte sich heraus, dass die “einfachen” Bestellungen aus den “weissen” suburbs Prioritaet ueber unsere “komplizierteren” Einkaufslisten bekamen. Was das im Klartext hiess: Unser Versuch jeder Familie so zu helfen, dass sie das bekommen, was sie am noetigsten brauchen, ueberforderte das System. Es war einfacher (und lukrativer), Bestellungen zu erfuellen, die standardisiert waren, wo jede Familie das Gleiche an Grundlebensmitteln erhaelt. Von Aussen betrachtet macht das zunaechst einmal Sinn. Es scheint sinnvoller 20 Familien schnell mit einem Standardpaket (zumeist Oel, Reis, Mehl, “Mealie Meal” und je nach Organisation vielleicht noch Kartoffeln, Suesskartoffeln und Fleischprodukte) zu erreichen, als 10 individuelle Bestellungen zusammen zu stellen, fuer die man laenger planen und einkaufen muss.
Uns hat sich daher immer dringender die Frage gestellt: Wie schaffen wir es Hilfe zu leisten, die die Wuerde der Menschen intakt haelt und Ihnen ein Minimum von Autarkie ueber Ihre Lebenssituation erlaubt? Wie erreichen wir es als Gemeinschaft, individuelle Not und Bedureftigkeit an zu erkennen und zu respektieren, anstatt Menschen in eine stereotypische Opfer-Rhethorik zu gruppieren, fuer die wir als “Retter” alle Entscheidungen treffen.
Bitte versteht mich nicht falsch: Natuerlich ist ein Sack Reis besser als gar nichts, wenn es ums blanke Ueberleben geht. Aber zwischen dem Hungertod der Aermsten und unsern gefuellten Gefriertruhen und Kuehlschranken gibt es eine Vielzahl von Nuancen an menschlicher Not, die wir in unserer Hast, Gutes zu tun (und uns schnell selbst besser zu fuehlen) leicht uebersehen. Es ist einfacher, 100 Pakete Reis zu spenden, mit dem Gefuehl vielen Menschen geholfen haben,  als uns mit individueller Not auseinander zu setzen. Letztlich moechten wir uns alle (ich schliesse mich hier ein) einfach nur ein bischen besser fuehlen in dieser furchtbaren Zeit. Je naeher uns die Opfer sind, je mehr wir von einzelen Schicksalen wissen, desto unertraeglicher wird es doch fuer uns, mit all dem Leid um uns herum zu leben:
Die Mutter, die vor einem Missbraucher geflohen ist und keine Kleider, Milch oder Windeln fuer ihr Baby hat; die Familie mit Kleinkindern, die dringend frisches Gemuese brauchen; die Grossfamilie mit Onkeln, Tanten Grosseltern und CousInen, die seit Tagen ohne Elektrizitaet im Dunkeln sitzen; der Familienvater, der den ganzen Tag in Handschellen im Laderaum eines Polizei-Lasters verbringen musste, weil er zu Fuss versucht hat, einen Lebensmittel laden zu erreichen, um fuer ein paar Rand Obst fuer seine Kinder zu bekommen.
All dies sind Schicksale von Menschen, zu denen wir direkten Kontakt haben, hauptsaechlich durch meine Schwarzen Freundinnen (die unermuedlich jeden Tag mit unzaehligen Menschen telefonieren), die diese Hilfsaktion organisieren. Eine von uns lebt in Llanga, eine andere kommt aus Gugulethu, wo ein Grossteil Ihrer Familie zur Zeit lebt und alle haben Verwandte, Freunde und Bekannte in Kayelitsha.
Was uns vielleicht am Schlimmsten betroffen hat diese Woche, war ein Foto, dass uns von einer unserer privaten EinkaeuferInnen zugeschickt wurde, in dem ein altersloser Mann in zu weiten Kleidern auf einer Kiste im Staub sitzt, vor sich eine Tuete Lebensmittel. Er schaut mit einem verlegenen Laecheln an der Kamera vorbei, seine Koerperhaltung ist muede, als wenn er sich kaum aufrecht halten kann. Der Text zu dem Bild: Dies ist Chris, er hat Euer Paket erhalten und ist sehr dankbar, wir brauchen Menschen wie Euch in unserer Welt.
Als ein Teil der anonymen Masse der Notleidenden, denen unsere Spenden helfen sollen, wurde Chris zu einer Trophae gemacht, die uns Dankbarkeit zeigen soll, damit wir weiterhin motiviert sind, grosszuegig zu sein. Vielleicht hat er letzten Monat noch einen Job als Lehrer oder Kellner gehabt, vielleicht hat er eine Familie, die jetzt obdachlos ist, vielleicht hat er den Sprung aus der Armut von Generationen vor ihm nie geschafft.
Stellt Euch nur mal vor, Euer Kind wuerde hungrig und obdachlos in einem der dunkelsten Momente Eures Lebens fotografiert und auf FaceBook gestellt, von Fremden, die Euch mit einer Tuete Lebensmittel helfen wollten. Fast genau so traurig war fuer uns die Tatsache, dass die Helferin, die uns das Foto geschickt hat, glaubte, dass wir dies von Ihr als Beweis und auch als Dokumentation fuer unsere Spender in Deutschland erwarten. Die Tradition unserer westlichen Spenden-Kultur, die Menschen auf stereotypische Bilder reduziert (die armen Kinder in Afrika) hat uns zum grossen Teil blind fuer Einzelschicksale gemacht. Wir uebersehen die Menschen hinter der Katastrophe und merken es noch nicht einmal.
Ich behaupte nicht, dass wir den einzigen oder besten Weg zu helfen gefunden haben, wir versuchen lediglich, die Menschen hinter dem unsagbaren Leiden in unseren Townships weiterhin als Menschen mit individuellen Aengsten, Sorgen und Beduerfnissen zu respektieren. Wir bemuehen uns um Kontakt und Verbindung, was auch bedeutet, dass unsere Kapazitaet begrenzt ist.
Fuer die naechsten Wochen ist unser Plan, ueber die neu angebotenen Einkaufs-Gutscheine einiger Lebensmittel Ketten (die man per SMS verschicken kann), mehr Menschen unbuerokratisch zu helfen. Damit koennen die Familien selbst entscheiden, was sie gerade am Noetigsten brauchen. Gleichzeitig (und darueber hinaus) arbeiten wir weiterhin daran in den Gebieten mit hoher Kriminalitaet und geringer Infrastruktur, HelferInnen mit Fahrzeugen zu organisieren, die fuer eine feste Gebuehr fuer mehrere Familien zusammen einkaufen und damit auch die lokalen “informal traders” weiter unterstuetzen koennen.
Dank Eurer grosszuegigen Spenden haben wir heute Euro 12000 erreicht, und koennen nun auch ueber die naechsten zwei Wochen weiter machen. Es waere wunderbar, wenn wir auch ueber diese Zeit hinaus weiterhin Hilfe leisten koennen. Deshalb meine Bitte wie immer an Euch, meine email weiter zu leiten an Freunde, Bekannte, Kollegen.

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